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Andrea Becker, Simon Eberhardt, Helmut Kellershohn (Hg.)

Zwischen Neoliberalismus und völkischem Antikapitalismus
Sozial- und wirtschaftspolitische Konzepte und Debatten innerhalb der AfD und der Neuen Rechten


Edition DISS Bd. 43, Unrast Verlag 2019


Sämtliche von den Rechten besetzte Politikfelder wie Wirtschaft, Soziales bis hin zu Familienpolitischem, wie es dort zuzugehen habe, sind Ausmalungen entlang eines nationalen Wahns angegriffener Staats- oder Volkssouveränität, in welcher Verwandlung die globale Verflechtung der Nationalwirtschaften mit ihren supranationalen Regeln und Institutionen (erst recht in einen geldwirtschaftlich und bezogen auf andere Parameter des Wirtschaftsverkehrs vereinten Raum wie der EU) daherkommt, wenn schon über eine Dekade und länger die internationalisierte Bewirtschaftung in Geld nur noch als Schadensabwälzung gegen die Konkurrenten angesichts weltweit eingebrochener Kapitalakkumulation stattfindet.

Wirtschaft: gegen sich am Staats- und Volkswohl vergehende Kapitalfraktionen die nationale Oberhoheit sichern.

Soziales: weg mit
überbordendem Wohlfahrtsstaat als Zeichen der Ausbeutung des Volksvermögens, das für nichts als die Stählung des Konkurrenzkampfes der Marktteilnehmer im Innern, dem nationalen Behauptungskampf nach außen in Beschlag zu nehmen ist.

Rettung der Volksouver
änität noch pathetischer: deutscher Identität - wo sie im Angesicht des sich hier einfindenden imperialistisch induzierten Elends in Gestalt von Migranten zur Höchstform auflaufen, bei denen eine regelrechte Untergrabung des Urdeutschen wittern und bekämpfen mittels des Programms des staatsmächtigen Rauswurfs, Fernhaltung der auswärtigen Elendsfiguren.

Die eher politologische Begutachtung daraufhin, wie neoliberaler Marktradikalismus und das Völkische oder gar ein nationalistischer Antikapitalismus die Rechten trage und ob und wie beides unter den rechtsextremen Hut passe, enthält Mängel, wie folgt charakterisiert:

Wie die Rechten die diversen Politikfelder besetzen, so handelt es sich um eine etwas andere Variante der Verwaltung des gleichen herrschenden Kapitalismus, wie er z.Zt. unter herkömmlicher demokratischer Regentschaft steht. Letztere wird deshalb nicht ertragbarer v.a. für bürgerliche Untertanen abhängigen Daseins darüber, dass Rechte radikalisierte und fanatische Anhänger unumschränkter Geltung staatlichen Gewaltmonopols sind. Oder geben gewöhnliche, etablierte Politiker letzteres nicht ebenso als ihre Sache zu erkennen, wenn sie auf wehrhafte Demokratie plädieren? Der Wahrung der Unbedingtheit von Sicherheit nach innen und außen, also die zuverlässige Wappnung gegen staatlicherseits unerlaubte Angriffe auf Sachen und Personen, also den Ressourcen zum Nutzen von kapitalistischer Wirtschafts- und Staatmächtigkeit sowie die Klarstellung der Legitimität zu Gewaltausübung einzig auf Seiten des bürgerlichen Gewaltmonopols - und erst recht gegen bewaffnete Übergriffe von außen gegen Land und Leute, wo die Staatssouveränität schlechthin tangiert gesehen wird, ist ein eigenes Ministerium des Inneren und der Verteidigung gewidmet. Da lassen mithin eingesessene Demokraten mitnichten von Rechten sich das Wasser abgraben. Und dennoch wird seitens Autor Kellershohn (S. 91f.) der Eindruck erweckt, darüber, dass die AfD den staatlichen Aufpasserbedarf, die Wehrhaftigkeit nach innen bzgl. der möglichst restlosen Unterordnung/Unterwerfung unter die Regeln der kapitalistischen Ausbeutungsordnung einschl. der Zulassungsbedingungen dafür (s. Ausländerzuzug oder Ausländer-Kriminalität!) und die nach außen hin einiges schärfer und scharfmacherisch angeht, als hebe sich das von überkommener demokratischer Handhabe irgendwie ab, wo nicht zu übergehende Gemeinsamkeiten in den Fundamentals nationaler Souveränitätsbelange auf Seiten Rechter und bürgerlichem Establishment zu konstatieren sind.

Was einen anderen zentralen Baustein der Fokussierung auf die Rechten angeht, was als Neoliberalismus gefasst wird, so kann man auch diesbezüglich keine wesentlichen Unterschiede hinsichtlich der marktwirtschaftlichen Verkehrsform und der kapitalistischen Insassen erkennen: oder haben Rechte etwa das Eintreten für deutsche Wirtschaftskraft (Kellershohn, S. 94) oder (internationale) Wettbewerbsfähigkeit (ders., S 92) exklusiv für sich gepachtet? Es sind die Essentials von kapitalistischer Standortpolitik jedweder Couleur! Auf S. 93, Fußnote 11 werden als grundlegende Elemente der Wirtschaftsordnung Eigenverantwortung und Garantie des Privateigentums nach Wahlprogramm der AfD zitiert, welches von jedem Demokratievertreter in Amt und Würden ohne Wenn und Aber vertreten wird. Welche Sorte Lebens- und Überlebenskampf der Masse der Minderbemittelten härtesten Kalibers damit aufoktroyiert wird, wiewohl der Begriff Neoliberalismus nach Duktus der Autoren wer weiß wie negative Konnotierung aufweise, und zwar nicht erst mit der rechtslastigen Absolutsetzung desselben, sondern mitten im gestandenen bundesdeutschen demokratischen Kapitalismus, wird so nicht aufgegriffen:
Freiheit des Kapitals schlie
ßt die Befreiung von allen Produktions- und Lebensmitteln ein, ist die Verpflichtung von lohnabhängig Gemachten, sich ausbeuterisch ersterem anzudienen. Und der hiesige demokratische Verwalter des bürgerlichen Geldbereicherungsregime hat wegen des alles bestimmenden Prinzips der Kapitalvermehrung mit der sukzessiven Entschränkung der Kapitalbefugnisse in Sachen Anwendung lohnabhängiger Arbeitskraft den Weg bereitet zu einigen Elendskarrieren von Lohnarbeitern als normale Weise des Existenzerwerb, wie ihn 'böse' Neoliberale nicht erst erfinden oder Bahn brechen müssten und wo die Herrschenden unserer sauberen Demokratie unter dem Titel Digitalisierung noch einige Weiterungen prophezeien (wo jede Kalkulation mit einem Verdienst zunichte gemacht wird, wenn von Fall zu Fall regelrecht darum gewetteifert wird, ob man einen (Anschluss-)Auftrag ergattert; und ob und wie dieser entgeltet wird, sich erst im Nachhinein im Vergleich zu anderen herausstellt, wenn die auftraggebende Plattform den zu ihrer Zufriedenheit ausgeführt sieht; wo der Unterschied von Arbeits- und Lebenszeit schwindet, also 24-Std.-Verfügung angesagt ist; neue Massen von Scheinselbständigen ohne Sozialabgaben und ohnehin kärglich entlohnt dem Sozialstaat Kopfzerbrechen dahingehend bereiten, dass die mit Sozialhilfe aufgestockt werden müssten, was tunlichst zu vermeiden ist, weil Existieren von Lohnarbeit ist erstes Gebot, weshalb Vorsorge getroffen werden müsse, trotz der elenden Verdienste davon zu leben sein sollte, statt dass arme Leute von Amts wegen durchgefüttert werden - auch eine Belehrung, dass im Letzteren das Soziale des Staats sich nicht erfüllt).

Wenn die Fundamentalisten unter den (Neo-)Liberalen in jedem hoheitlichen Eingriff in die Konkurrenzwirtschaft einen Anschlag auf die Freiheit der Wirtschaftskapitäne wittern, berufen sie sich zwar darauf, dass der bürgerliche Wächter über die gleichnamige Produktions- und Wirtschaftweise die Freisetzung des privateigentümerlichen Egoismus als entscheidende gesellschaftliche Räson ins Recht gesetzt hat, vernachlässigen allerdings darüber, wie der Staat als ideeller Gesamtkapitalist in der Beschränkung kapitalistischer Betätigungsweisen Dienst am Insgesamt der bürgerlichen Chose ist.

Zum Völkischen der AfD, illustriert an ihrem Konzept eines Europas der Vaterländer (S. 98): hier vermisst man mit der Herauskehrung der Renationalsierung der Wirtschafts-, Finanz- und Währungspolitik nach Afd-Programm (S. 106) die sich eigentlich aufdrängende Distanz zur bisherigen Gesamtarchitektur der EU (S. 108) natürlich nicht nach hetzerischem Selbstverständnis der Rechten, sondern in einem korrekten argumentativen Sinn: den gestandenen Euro-Politikern ist deutsches Interesse an durchschlagender gemeinsamer Wirtschaftsmacht gegen die anderen Weltzentren die Richtschnur, für welches den Offiziellen durchaus auch die Abgabe nationaler Kompentenzen an Gemeinschaftsorgane ihres Wirtschaftsblocks das Mittel der Wahl ist, während die Rechten gemäß dem oben gekennzeichneten Nationalismus mit wahnhaften Zügen in den vergemeinschafteten Politik-/Wirtschaftsbereichen gleich eine Schwächung Deutschlands erblicken und so die ökonomische Hauptnießerschaft Deutschlands in der EU und einiges an akkumulierter Bestimmungsmacht der BRD umlügen. Die 'europäische Gesamtarchitektur der Herrschenden wird also nicht deswegen salonfähig, dass die Rechten per Renationalisierung auf unmittelbare Unterordnung der Euro-Nationen nach deutschen Vorgaben drängen, denen auch nur partielle Dreingabe deutscher Souveränität um des deutsch dominierten anvisierten Weltmachtprojekts EU willen ein Gräuel ist.

Eine verkehrte Herangehensweise kann man zudem darin erblicken, wenn anlässlich des Vortragens von nichts als rechten Rechtfertigungsideologien die Autoren meinen, daran eine wissenschaftsinspirierte Auseinandersetzung über den Begriff von kapitalistischer Ökonomie oder bürgerlichem Staat dranzusetzen: denn auch im Verhältnis des Staates zu seinem Inventar erblicken die Rechten lauter Versuche auch durch Kapitalfraktionen, die Staatsmacht zu untergraben. Da geht es völlig fehl, den Rechten erklären zu wollen, wie eine korrekte Staatstheorie ginge (mal dahingestellt, ob die der Autoren Bestand hat), dass entgegen dieser die bürgerliche Hoheit nicht einfach am Gängelband von Kapitalagenten hinge (siehe Genaueres S. 128ff. v. Autor Kellershohn). Mit der Agenten-“Theorie“ knüpfen Rechte ausgehend von ihrem Vorurteil der gefährdeten Souveränität daran an, dass der Nutzen des global agierenden Kapitals nicht mit dem der Staaten zusammenfällt, namentlich die Finanzkrise seit 2008 einiges Ruinöses in den Nationalwirtschaften hinterlassen hat – und schon wieder überzeichnen das Rechte dahingehend, da werde Raubbau am souveränen Schalten und Walten der höchsten Gewalten betrieben, umgekehrt alles eine Frage der Wiederherstellung unbedingter staatlicher Willensdurchsetzung sei.


Zur politischen Einordnung des Phänomens der Neuen Rechten einschl. AfD folge dem Link (PDF-Dokument):

  Zur neuen Rechten - 2019