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Hajo Funke

Die Höcke – AfD

VSA-Verlag, 2020



F. reiht rechtsextreme Anschläge und die Wahl eines Ost-Ministerpräsidenten durch die Unterstützung des FDP-Mannes durch die AfD, um einen Linken als Landesfürsten zu verhindern, unisono ein in eine „Schockwelle“, die gleich unter dem Gesichtspunkt der legitimen Inhaber der Staatsgewalt und der öffentlichen Aufpasser in Sachen Recht und Ordnung eingeordnet wird (S. 9)– Herr Funke hat noch nie vorgehabt, der Rechten ob ihrer Stellung zu Staat und Nation auf den Grund zu gehen. Stattdessen bauscht er die Welle gleich zu Gefahren für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auf – wobei die geforderte „Umkehr in Politik und Gesellschaft“ sowohl auf die „Kette von Anschlägen“ – wogegen Polizei und Verfassungsschutz längst die staatlichen Mittel der Wahl sind – als auch auf den „Tabubruch“ von Erfurt gemünzt ist, wo dann Gott sei Dank ein „öffentlicher Aufstand“ gegen letzteren wohl schon Zeichen für die Umkehr wäre (ebd.).

Es ist da einiges an Übertreibung unterwegs, ein paar Anschläge würden die hiesige demokratische Festung irgendwas anhaben. Und der Tabubruch war keiner: da haben welche zur Mehrheitsbeschaffung gegen unliebsame Konkurrenten von der Linkspartei in Kauf genommen, dass auch die Rechten mitstimmen – also ganz normale Kalküle des Ausbootens, um die favorisierte Parteienkonstellation an die Macht zu bringen oder eine Missbilligte von derselben fernzuhalten, was im Falle der AfD mitnichten geheißen hätte, dass wegen deren Rückdeckung bei der Mehrheitsbeschaffung sich die bürgerlichen Parteien auch nur irgendwas Programmatischen von den Rechten im Falle erfolgreichen Regierungswechsels diktieren lassen würden. Der Aufschrei im Herrschaftsgebäude BRD und Öffentlichkeit weist auf was zu dem Procedere der Regierungsbildung Jenseitiges hin: nämlich die Anrüchigkeit der AfD mit deren polit-programmatischen Tabubrüchen, die sich nämlich beißen mit der jahrzehntelangen Nationalmoral Deutschlands, mit der sich die Nation als vom Faschismus Geläuterte wieder erfolgreich imperialistisch in die Staatenwelt eingeführt hat.

Gleichwohl: Funke treibt um, wie erfolgreich sich die Rechten v.a. im Osten präsentieren – was tautologisch mit dem „Ausmaß rechtsautoritärer Einstellungen“ erklärt wird (S. 12). Zugleich: noch 30 Jahre nach der Vereinigung sollen „sozialökon. Erschütterungen und Enttäuschungen“ die Rechten begünstigen (ebd.): wer sich seinen nationalistischen Vers auf „sozialökon. Erschütterungen“ macht, der ist weit weg von irgendwelcher materiellen Betroffenheit und dem Willen, sich diese klarzumachen, was die mit der Restauration des Kapitalismus im Osten zu tun hat. Soll jetzt das Ziel die Zufriedenstellung des enttäuschten Patriotismus sein, nämlich durch ganz viel Geltungskraft der Nation, die immerhin auf der Dienstbarkeit und materiellen Opfern von deren Untertanen gründet? – Selbst, wenn man es tiefer hängt: die Vorstellung der ehemaligen Zonis vom Abfallen des Glanzes des nun gesamtdeutschen Kapitalismus auf ihren Geldbeutel ist der gängige Fehler von Lohnarbeitern, dass irgendwie der Dienst an der Bereicherung der Geldsäcke auch ihrem Materialismus zugute kommen müsste, wo sich beides ausschließt.

Andererseits ist bei den einstigen DDR’lern längst der gewöhnliche Nationalismus bürgerlicher Provenienz angekommen – mit seinen Rechtsauslegern die Spezialität, dass die demokratischen ‚Eliten‘ Nation und Volk verraten täten. Was Rechte alles als Schranken dafür dingfest machen, dass die wieder zu ihrem unbedingten Recht kämen, ist auch lupenreinen Demokraten geläufig: nämlich Gewaltenteilung, überhaupt das demokratische Procedere kompromisslerischer ‚Lösungssuche‘ dafür, was für den nationalen Erfolg anstünde – dies kommt ebenso Demokraten schon mal als Umständlichkeiten für ihren unermüdlichen Einsatz für die Belange der Nation vor; die Rechten machen daraus ein Prinzip des davon befreiten Durchregierens. Und das soll das Anstößige sein: dass es den Rechten ebenso wie den Demokraten um das Vorankommens Deutschlands in der Konkurrenz der Nationen geht – die einen die demokratischen Verfahren im Allgemeinen als die Geeigneteren dafür, die anderen als durchweg lästige Hindernisse dafür ansehen?

Auch folgende Erklärung des rechten Aufschwungs ist verkehrt: der Zuwachs der AfD wird tautologisch damit erklärt, dass die Eliten dem durch Unterlassung des Entgegentretens dagegen begünstigt hätten – wo sich dann wohl der Kampf gegen Rechts darauf reimt, die Rechten als politische Konkurrenten loszuwerden – ein schöner Beitrag, den Sumpf des Rechtsextremen, nämlich das deutsche Vaterland, auszutrocknen, indem man dem Nationalismus bei Fortbestehen seiner staatlichen Grundlage so an sich bindet, dass AfD und Konsorten keine Chance haben, sich den weiter zunutze zu machen.

Endgültig schlägt es dem Fass den Boden aus, so Leitlinie eines Rechtskritikers ist, die als lauter Ängste und Verunsicherungen vorgetragene patriotische Reime gar nicht kritisieren zu wollen, sondern deren Missbrauch durch Rechte für ihre Hetze gegen das Establishment zu entziehen, sich dazu durchringt, dem Rechtspopulismus Verständnis abzuringen: es gäbe einen Zusammenhang zwischen diesem und „neoliberal entgrenztem Wettbewerb“; es gäbe die „realistische Wahrnehmung“ von „immer weniger politischer Handlungsfähigkeit“ der Nationalstaaten gegenüber den „deregulierten Märken“ (S. 13).

Es ist doch als regelrechte nationalistische Sicht zu vermerken, wenn Staaten meinen, keinen souveränen Zugriff mehr zu haben auf die globalen Mittel ihres nationalökonomischen und machtpolitischen Reüssierens. Und dafür soll man Verständnis aufbringen?


Zur Veröffentlichung von H. Funke aus 2018 siehe als pdf-Datei:

Hajo Funke et al. - 2018